Donnerstag, 16. Oktober 2008

Lohnungleichheit als Dauerskandal

Christiane Krämer für Aviva

Frauen verdienen nach den aktuell veröffentlichten Zahlen des statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006 vierundzwanzig Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, doch was ist daran neu?


Nach dem EU-Berechnungsverfahren vergrößert sich der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen: er zieht sich durch alle Branchen, in keinem Berufsfeld verdienen Frauen mehr als Männer. Besonders groß sind die Lohnunterschiede bei unternehmensnahen Dienstleistungen, hier verdienen Männer brutto fast 30 Prozent mehr als Frauen. Die Ursachen für das "Gender Pay Gap"erklären sich laut den Erhebungen des Statistischen Bundesamts durch die Berufswahl und Arbeitsmarkesegregation und werden in einen Zusammenhang mit Erwerbsunterbrechungen in Frauenbiografien gestellt. Dabei muss jedoch gefragt werden, warum Frauen nach wie vor bestimmte Berufe wählen und in untergeordneten Positionen eingesetzt werden und warum die Erziehungsauszeit ausschließlich für sie ein Problem darstellt.

Ungleiche Arbeits- und Zeitteilung, Stereotype und politische Regelungen stehen im Weg

Geschlechterspezifische Arbeits- und Zeitteilung stehen den Frauen im Karriereweg. So erklären sich die steigenden Lohnunterschiede in zunehmenden Alter durch einen verdoppelten Anteil der teilzeitarbeitenden Frauen nach der Erziehungspause. Einundvierzig Prozent der über 35jährigen Frauen arbeiten nur noch halbtags und leisten den Großteil der unbezahlten Familienarbeit, obwohl viele Frauen und Männer eine partnerschaftliche Teilung anstreben.
Zu einem Umdenken in der Wirtschaft hat auch die neue Elternzeitregelung nicht geführt, der überwiegende Teil der Väter setzte nur zwei Monate Auszeit bei ihren ArbeitsgeberInnen durch. Die Vereinbarung zwischen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und Bundesregierung zur Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft hat daran nichts geändert – darüber kann auch die längst überfällige Schaffung der Krippenplätze und Betreuungsstrukturen nicht hinwegtäuschen. Steuerpolitische Regelungen wie das Ehegattensplitting degradieren Frauen zudem als "Zuverdienerinnen". Intransparente und stereotypgeleitete Tarif- und Entlohnungssysteme führen zu ungleicher Bezahlung aller Frauen und insbesondere von Frauen mit Migrationshintergrund. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang auch der hohe Anteil von Frauen im Niedriglohnsektor bei 70 Prozent und die hiermit und dem Rentensystem verknüpfte Altersarmut, die der Armutsbericht 2008 thematisiert.

Neuer Aufwind mit der Familienministerin Ursula von der Leyen?

Neu ist neben dem differenzierteren Verfahren die Vereinnahmung der einstmals feministischen Forderungen nach beruflicher Selbstverwirklichung und Gleichstellung der Frauen. Die konservative Familienpolitik richtet sich dabei seit 2005 auf ein leicht modifiziertes traditionelles Familienbild und volkswirtschaftliche sowie demografische Ergebnisse aus. Dies hat sich weder für Frauen bezahlt gemacht, noch entspricht es einem modernen und pluralisierten Geschlechterverständnis, welches viele Frauen für sich beanspruchen. Individuelle Chancengleichheit muss politisch in allen Bereichen und insbesondere in der deregulierten Privatwirtschaft eingefordert werden: der viel zitierte skandinavische Nachbar Norwegen macht es mit der Einführung der Quote in den Vorständen vor.

Das Netzwerk der Business and Professional Women (BPW) hat in 2008 mit anderen Frauenverbänden und Gewerkschaften im Rahmen einer gemeinsamen Initiative den "Equal Pay Day" in Deutschland ins Leben gerufen, um VertreterInnen der Wirtschaft und PolitikerInnen aller Couleur endlich zum Handeln zu bewegen. Am Equal Pay Day 2008 in Berlin nahmen mehr als hundert Gäste an den Aktionen und Diskussionen teil.

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