Die Pausen-Frauen
Von Julia Löhr FAZ
12. Februar 2010
Die Empörung ist programmiert. Kaum kommt eine Studie zu dem Ergebnis, dass Frauen in Spitzenpositionen Mangelware sind, wird das Klagelied auf die "Old-Boys-Networks" angestimmt, die angeblich den Weg in die Top-Etagen der Wirtschaft versperren. Von gläsernen Decken ist da die Rede, die Frauen an einem Aufstieg hindern. Zuletzt befeuerte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die Diskussion. Nur 2,5 Prozent der Vorstände in den 200 größten Unternehmen Deutschlands sind weiblich, rechneten zwei Forscherinnen des Instituts vor. 21 Frauen in den Vorständen stehen 812 Männer gegenüber. Und das, obwohl Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.
Skandal! Oder doch nicht? Die Diskrepanz zwischen den beiden Zahlen ist Fakt. Allerdings spricht vieles dafür, dass die Aufregung darüber verfehlt ist. Zunächst sollte niemand vergessen, wie viel sich in den vergangenen Jahrzehnten getan hat. Für die Generation der heute Sechzigjährigen stand noch außer Frage, wo Frauen ihren Platz haben: daheim, als treusorgende Ehefrau und Mutter. Noch bis Mitte der siebziger Jahre war gesetzlich festgeschrieben, dass sich die Frauen um den Haushalt zu kümmern hatten und die Männer ums Geldverdienen. Dass sich aus dieser Generation überhaupt Frauen durchgekämpft haben und Unternehmen führen, ist durchaus ein Erfolg. Der Abschied von den Ambitionen
Spannend ist die Frage, wie es nun weitergeht. Ob die Frauen, die heute am Anfang ihres Berufslebens stehen, in größerer Zahl in die Vorstände und Aufsichtsräte der Wirtschaft einziehen werden? Die Voraussetzungen dafür sind denkbar gut. 56 Prozent der Abiturienten: Frauen. 51 Prozent der Hochschulabsolventen: Frauen. Oft haben sie noch dazu die besseren Noten. Und sie sind willens, etwas daraus zu machen. Personalverantwortliche berichten, dass etwa in Auswahlverfahren für Traineeprogramme Bewerberinnen ihre männlichen Konkurrenten regelmäßig in den Schatten stellen.
Doch schon auf Teamleiter-Ebene schmilzt der Frauenanteil dahin. Das hat nicht zuletzt mit der Familienplanung zu tun. Nicht wenige Frauen verabschieden sich von ihren einstigen Ambitionen, sobald sie Mutter werden. Bereitwillig fügen sie sich wieder in die alten Rollenmuster ein. Sie kümmern sich um die Familie, pausieren im Beruf, ein Jahr auf jeden Fall, schließlich ersetzt das Elterngeld in dieser Zeit einen Großteil des wegfallenden Einkommens. Blöd, wer das nicht mitnehmen würde, argumentieren Mütter und verbringen ihre Tage fortan in Krabbelgruppen und auf Spielplätzen.
Kehren sie später in ihren Beruf zurück, dann oft mit reduzierter Arbeitszeit. Mehr als 80 Prozent aller Teilzeit-Erwerbstätigen in Deutschland sind Frauen. Ihre männlichen Kollegen betreuen derweil die wichtigen, zeitaufwendigen Projekte, werden befördert, steigern ihre Gehälter, kurzum: Sie machen Karriere.
Headhunter finden kaum Kandidatinnen
Die Pausen-Frauen treiben Personalberater zur Verzweiflung. Glaubt man den Erzählungen, verlangen Aufsichtsräte und Vorstände mit Nachdruck Kandidatinnen, wenn eine Führungsposition zu besetzen ist. Wer gut ist, dem stehe nichts im Weg, ganz im Gegenteil, die vermeintlichen Männerbünde würden Frauen mit offenen Armen empfangen, heißt es. Abwegig ist das nicht: Managerinnen sind gut für das Image eines Unternehmens. Noch nie wurde so viel über einen Einkaufsvorstand berichtet wie über den von Siemens. Und das alles nur, weil Barbara Kux eine Frau ist, die einzige Frau im Führungsgremium eines Dax-Konzerns. Den Wunsch nach mehr Frauen an der Spitze können die Headhunter jedoch selten erfüllen - sie finden kaum Kandidatinnen im mittleren Management, die in Frage kämen.
Kein Zweifel, in Deutschland gibt es zu wenige Betreuungseinrichtungen für Kinder, besonders solche, die es beiden Elternteilen ermöglichen, Vollzeit zu arbeiten und auch mal Überstunden und Dienstreisen zu machen. Solange ein Ganztagsplatz um 16 Uhr endet und Sommerferien sechs Wochen dauern, ist es ein nervlicher und finanzieller Kraftakt, Familie und Beruf zu vereinbaren. Aber oft fehlt eben auch der Wille, es überhaupt zu versuchen. Weil Elternzeit und Teilzeit bequemer sind. Weil der Mann genug für alle verdient. Weil vielen Frauen Karriere ohnehin nicht so wichtig ist, wie Umfragen immer wieder ergeben.
Das heißt nicht, dass jeder weibliche Hochschulabsolvent der Vorzeigefrau von Siemens nacheifern soll. Jede Frau muss für sich selbst entscheiden, welche Prioritäten sie in ihrem Leben setzt. Ob sie Kinder möchte. Und wenn ja: wie viel Zeit sie der Familie und wie viel Zeit sie dem Berufsleben widmet. Solange sich jedoch weiterhin so viele gut ausgebildete Frauen bewusst dafür entscheiden, ihren Beruf aufzugeben oder ihm nur noch mit Hobby-Charakter nachzugehen, sollten sie auch so ehrlich sein, sich nicht über zu wenige Frauen in Führungspositionen zu beschweren, gar eine gesetzliche Frauenquote nach norwegischem Vorbild zu fordern. Es ist zu einfach, den Männern Blockadehaltung vorzuwerfen. Allzu oft stehen sich die Frauen selbst im Weg.
Text: F.A.Z.
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