Mittwoch, 30. Juli 2008

Seitdem haben die Männer zu leiden...Interview mit Doris Lessing

Die preisgekrönte Schriftstellerin über ihre Mutter, ihre Kritiker, den Feminismus, Tony Blair - und Yum-Yum - aus der Frankfurter Rundschau

Sie sind 88 Jahre alt, haben den Literatur-Nobelpreis gewonnen und ein neues Buch veröffentlicht. Der Titel "Alfred & Emily" bezieht sich auf Ihre Eltern, die als britische Kolonialsiedler in Südrhodesien lebten, wo Sie Ihre Kindheit verbrachten. In dem Buch erzählen Sie die Geschichte Ihrer Eltern zweimal. Einmal als Novelle, in der sie ein glückliches Leben führen, und dann als Biographie, basierend auf den traurigen Tatsachen. Ich halte es für ein liebevolles Buch.

Es ging mir nicht darum, liebevoll zu sein, sondern darum, meiner Mutter gerecht zu werden. Ich wollte ihr Leben so beschreiben, wie es hätte sein können, wäre ihr im Ersten Weltkrieg nicht so übel mitgespielt worden.


In der Novelle hat der Krieg nie stattgefunden, und Ihre Mutter wird zu einer einflussreichen Lehrerin, zu deren Beerdigung Hunderte von Menschen kommen. Im wirklichen Leben jedoch fristet sie ihr Leben in Afrika als Hausfrau.
Ich sehe sie so. Sie war eine bemerkenswerte Frau. In Südrhodesien konnten sich ihre vielen Talente nicht entfalten. Ich wusste, dass sie unterfordert war. Entscheidend ist, dass ich mir für sie ein Leben ausgedacht habe, in dem ihre wahren Qualitäten zum Einsatz kommen. Das ist das Entscheidende, nicht die Tatsache, dass wir nicht miteinander auskamen.

Aber ist es nicht zu spät, ihr ein erfülltes Leben zu schreiben, wo sie es doch nicht mehr lesen kann?

Das kann sie nicht mehr, das stimmt. Aber es ist auf jeden Fall gut für mich. Sie hat allerdings nichts davon.

Ihr berühmtestes Buch ist "Das goldene Notizbuch", das 1962 erschien und seitdem als Klassiker des Feminismus gilt - ein Etikett, mit dem Sie nicht einverstanden zu sein scheinen.

In meinen Augen hat der Feminismus den Frauen nicht besonders gut getan. Wir haben einige ziemlich furchterregende Exemplare hervorgebracht. Als man den Frauen den Freiraum gab, auf unangenehme Weise kritisch zu sein, haben sie die Gelegenheit sofort beim Schopf ergriffen, und seitdem haben die Männer zu leiden.

In den letzten zwanzig Jahren haben Sie sich immer mehr dem Science-Fiction-Genre zugewandt, was Literaturkritiker, wie zum Beispiel Harold Bloom, enttäuscht hat.

Was Bloom sagt, ist mir völlig egal. Eine Menge Leute sind der Ansicht, dass die Science-Fiction-Bücher zu meinen besten Werken zählen, und deren Meinung zählt genauso viel wie die von dem verdammten Harold Bloom.

Als man Ihnen letztes Jahr den Nobelpreis verlieh, bezeichnete Bloom die Entscheidung als "bloße politische Korrektheit" - wahrscheinlich, weil Sie eine Frau sind.

Ich erinnere mich. Das war ziemlich bösartig von ihm. Glauben Sie mir, wenn er den Nobelpreis bekommt, werde ich nicht so gehässig sein.

Praktizieren Sie noch immer den Sufismus?


Es ist eher ein "Lernen", ein "Studieren".

Handelt es sich nicht um eine Unterart des Islams, die von Mohammed begründet wurde?

Das denken die Leute, weil sie einfach im nächstbesten Lexikon nachgeschlagen haben, aber in Wahrheit hat der Sufismus schon immer Anhänger gehabt, die aus allen möglichen Religionen - oder auch aus gar keiner - kamen.

Als jemand, der seit langer Zeit in London lebt, was denken Sie über die wachsende islamische Präsenz in Europa?

Ich rede nicht ständig darüber, so wie unsere beiden Kreuzritter.

Meinen Sie Martin Amis? Und wen noch?


Der andere, der ständig über den Islam schwadroniert. Christopher Hitchens. Ich will nicht noch weiter Gift in die Suppe rühren. Die Sache ist so schon unerfreulich genug, also belassen wir es dabei.

Haben Sie etwas zu Gordon Brown zu sagen, Ihrem relativ neuen Premierminister?

Tony Blair hat uns mit Brown zurückgelassen. Ich mag ihn zwar nicht besonders, aber im Vergleich zu Blair - der war ein solcher Gauner! Zum Glück ist er weg.

Was haben Sie gegen Brown?


Er bemüht sich sehr, aber wie Sie vielleicht bemerkt haben, befinden wir uns in einer Rezession. Im Fernsehen wird über nichts anderes geredet. Allerdings reden wir nie von einer Depression, denn das wäre zu schwer zu ertragen.

Leben Sie allein?

Ich habe eine Katze, Yum-Yum. Sie ist ein sehr schwieriges Persönchen. Man muss sie behandeln wie eine Prinzessin, sonst benimmt sie sich unmöglich.

Sie haben mehr als 50 Bücher geschrieben. Schreiben Sie immer noch täglich?


Nein, ich habe überhaupt keine Energie mehr. Ich habe Ideen, die ich wahrscheinlich niemals aufschreiben werde. Da ich aber in meinem Leben ziemlich viel geschrieben habe, lohnt es sich nicht wirklich, ihnen hinterher zu weinen.

Interview: Deborah Solomon

Sonntag, 20. Juli 2008

Frauen coachen Frauen bietet Netzwerktreffen

Donnerstag, 24. Juli 2008, 20:00 – 22:00 Uhr
Offener Treff mit "Frauen coachen Frauen"
Das Netzwerktreffen richtet sich an alle Frauen, die Lust haben, Gleichgesinnte kennen zu lernen. Es besteht die Möglichkeit, sich mit anderen Frauen auszutauschen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen oder beruflich einen Gewinn darstellen können.
Veranstaltungsort: Zitrone
Dieffenbachstr. 56
10967 Berlin
www.frauen-coachen-frauen.de

Montag, 14. Juli 2008

Ökonominnen-Netwerk schreibt Preis aus

Das Ökonominnen-Netzwerk schreibt im Rahmen ihrer 6. Jahrestagung zum Thema Familienpolitik einen Nachwuchsförderpreis aus, der mit 500 Euro dotiert ist. Bewerbungsfrist ist der 1. September 2008.

Das Thema Familienpolitik steht im Mittelpunkt der sechsten Jahrestagung des Ökonominnen-Netzwerkes efas (economics, feminism and science) an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW). Die Veranstaltung findet am 20. und 21. November 2008 in Berlin statt. Das Ökonominnen-Netzwerk schreibt gleichzeitig zum ersten Mal einen Nachwuchsförderpreis aus.
Auf der Tagung sollen familienpolitische Reformnotwendigkeiten und -optionen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Expertinnen und Interessierte aus Wissenschaft, Politik und Praxis werden u.a. darüber diskutierten, ob zur Zeit ein Paradigmenwechsel in der Familienpolitik zu beobachten ist und inwiefern er von den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen bestimmt wird. Gefragt wird auch, welche institutionellen und individuellen Einflussfaktoren in den gegenwärtigen familien- und gleichstellungspolitischen Strategien und ökonomischen Diskursen eine Rolle spielen.

Für den Nachwuchs wird 2008 zum ersten Mal ein Förderpreis ausgelobt. Die Auszeichnung erinnert an die 2007 verstorbene Volkswirtin Prof. Dr. Angela Fiedler, Mitinitiatorin des Netzwerks und ehemalige Leiterin der Geschäftsstelle. Die FHTW-Professorin prägte mit ihrem Engagement die Netzwerkarbeit und setzte sich besonders für die Qualifizierung von Frauen sowie die Integration von Frauen- und Geschlechterforschung in die Wirtschaftswissenschaften ein.

Der efas- Nachwuchsförderpreis ist mit 500 Euro dotiert. Er wird für Arbeiten mit der thematischen Ausrichtung auf die Frauen- und Geschlechterforschung im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext verliehen. Ausgezeichnet werden exzellente wissenschaftliche Abschlussarbeiten von Studentinnen bzw. Absolventinnen (Diplomarbeiten, Bachelor- oder Masterarbeiten oder Dissertationen) mit innovativer Bedeutung für das Fachgebiet, die im Jahr 2007 abgeschlossen wurden. Die Bewerbungen müssen bis 1. September 2008 in elektronischer und schriftlicher Form in der Berliner efas-Geschäftsstelle eingegangen sein.

efas ist ein im Jahr 2000 gegründetes Netzwerk, das insbesondere die geschlechtsbezogene Forschung und Lehre in den Wirtschaftswissenschaften fördert. Es zielt auf den Informationsaustausch an der Schnittstelle von Lehre, Forschung und Praxis auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sowie auf die Einbeziehung und Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen.

Weitere Informationen sowie Bewerbungsformulare finden Sie unter: http://temporaer.fhtw-berlin.de/efas

Gebt uns nicht Fisch auf den Teller, lehrt uns wie man Fische fängt

4. Drive-Dialog für Afrika – Frauen als Wirtschaftsmotor

Erfolgreiche Frauen diskutierten die Weiterentwicklung Afrikas. Zusätzlich startet am 18. Juli 2008 "Fußballfieber mit IQ!" an deutschen Schulen, das Aufmerksamkeit auf Afrikas Potential lenken soll / Text von Aviva


Das internationale Business Magazin "Drive" hat im Zusammenhang mit der Fußball WM 2010 in Afrika die "Drive-Dialoge" ins Leben gerufen. Auf der 4. Veranstaltung am 30. Mai 2008 wurde zum Thema Wirtschaftsentwicklung durch Frauen in Afrika diskutiert. Lydia Monyepao, Vorsitzende des Soweto Ladies Football Club, Dr. Ndidi Nnoli-Edozien, Executive Director Growing Businesses Foundation aus Nigeria, Yvonne Chaka Chaka, internationale Sängerin und UNICEF Sprecherin zum Thema Malaria, Sheila Camerer, Staatsanwältin und Parlamentsabgeordnete in Südafrika, Bianca Buchmann, Präsidentin des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft und Sabine Plattner, Miteigentümerin des Fancourt Golf Resorts sowie Schirmherrin der Anti-HIV/AIDS-Stiftung Darling Trust, waren sich darin einig, dass vor allem Frauen der Wirtschaftsmotor Afrikas sind und das Land in seiner Selbständigkeit voranbringen.

Kleinkredite vor allem für Frauen

Zahlreiche Beispiele wie Kleinkredite durch die Growing Businesses Foundation Nigeria, die Frauen beim Schritt in die Selbständigkeit helfen, zeigen den Ehrgeiz und das soziale Bewusstsein des weiblichen Unternehmertums. "Mit Krediten ab zehn Euro helfen wir den Frauen, kleine Geschäfte zu eröffnen. Innerhalb weniger Jahre schaffen sie es, diesen Einsatz zu verhundertfachen und so Stück für Stück die Entwicklung Afrikas voranzubringen," berichtete Dr. Ndidi Nnoli-Edozien. Die Diskussionsteilnehmerinnen betonten vor allem die vielen Ressourcen und Chancen, die sich für das Land ergeben, wenn es gefördert würde anstatt "Almosen" zu erhalten. "Gebt uns nicht Fisch auf den Teller, lehrt uns wie man Fische fängt", so die klare Forderung der engagierten Prinzessin Odette Maniema aus dem Kongo. In einem waren sich alle Diskussionsteilnehmerinnen einig: Die drängenden Probleme Afrikas wie Hunger, steigende HIV-Infektionsraten und Bürgerkriege lassen sich nur durch bessere Schulbildung nachhaltig lösen. Ziel der Dialoge ist es, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit von der Bedürftigkeit des Kontinents auf das hohe Potential der Menschen in Afrika zu lenken.

Inzwischen wurden die Drive-Dialoge um den von der Nelson Mandela International School mit initiierten Jugend-Drive-Dialog erweitert. Daraus ist der erste deutsch-afrikanische Schulwettbewerb "Fußballfieber mit IQ" entstanden, der die Millenniumsziele der Vereinten Nationen wie Hungerbekämpfung, Ausbau der Bildungschancen und Zugang für mehr Menschen zu sauberem Trinkwasser erreichen will. Am 18. Juli 2008, dem 90. Geburtstag von Freiheitskämpfer Nelson Mandela, startet das Projekt unter der Schirmherrschaft von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Das Internationale Business Magazin Drive ist ein Wirtschaftsmagazin mit sozialer Ausrichtung. Es erscheint alle drei Monate und setzt in jeder Ausgabe einen jeweils neuen Schwerpunkt. Herausgegeben wird das Magazin von den Schwestern Antoinette und Doris Pospischil, die auch die Dialogreihe initiiert haben. Die Diskussionen werden in Kooperation mit der Südafrikanischen Botschaft veranstaltet und bieten ein Forum, um den Chancen und Problemen Afrikas auf Managementebene Gehör zu verschaffen. Hauptanliegen Antoinette Pospischils ist es hierbei, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Fragen rund um die Fußball-WM 2010 ins Zentrum zu rücken und nach deren Ende weiter zu vertiefen.

"...ich will die Schwester nebenan erreichen"

50 Jahre Gleichberechtigung - Interview mit Katja Kullmann
von Stefanie Denkert für Aviva-Berlin

AVIVA-Berlin: Guten Tag, Katja Kullmann! Am 29. Juni 2007 haben Sie an einer Konferenz zum Thema "50 Jahre Gleichberechtigung -wo stehen wir heute?" als Repräsentantin der jungen Generation von Frauen an einem Generationengespräch mit Carola von Braun teilgenommen. Bereits in Ihrem 2002 veröffentlichten Buch "Generation Ally" (2002) haben Sie darüber geschrieben, "Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein". Was sind Ihrer Meinung nach die Unterschiede zwischen den "Töchtern der Frauenbewegung" und der Generation davor? Und wo glauben Sie, stehen wir heute?
Katja Kullmann: Die Nachgeborenen der so genannten 68´er-Generation sind die ersten, die von der Frauenbewegung profitiert haben. Im Buch habe ich jene Frauen "Töchter der Emanzipation" genannt. Wir wuchsen in den 70ern mit Müttern auf, die mit den Fragen des klassischen Feminismus vertraut waren, und sei es nur durch die Medien, und in der Schule trafen wir auf eine neue Generation von Pädagogen und Lehrerinnen. Mädchen wurden damals ausdrücklich gefördert, es herrschte ein gesellschaftliches Klima, das ganz klar besagte: Frauen machen nicht das Abitur, nur um später zu heiraten und Strümpfe zu stopfen. In gewisser Weise haben unsere halb- oder viertelemanzipierten Mütter uns quasi losgeschickt, das zu verwirklichen, was sie selbst zwanzig Jahre zuvor noch nicht umsetzen konnten. In der Tat stellen Mädchen seit den späten 80er Jahren die Mehrheit der Abiturienten und der Erstsemester an den Universitäten und entschließen sich seitdem tendenziell später zur Familiengründung.
Auch beim Eintritt ins Berufsleben hatte die Altersgruppe der heute um die 30-Jährigen noch sehr gute Karten, denn die Berufsbilder, die zum Ende des vergangenen Jahrhunderts entstanden, waren so neu, dass es hier noch keine männliche Traditionsherrschaft gab. Gerade in der Internetbranche bot das Praktikantinnen- und Quereinsteiger-Wesen Frauen zahlreiche Möglichkeiten, erst einmal hineinzukommen. Die Quote war zudem durchgefochten, und spätestens seit den 90ern war es einfach eine opportune Unternehmenspolitik, wenigstens einige öffentlichkeitswirksame Positionen mit Frauen zu besetzen, auch der fortschrittlichen Außenwirkung des Unternehmens zuliebe. Der größte Unterschied zur älteren Frauengeneration besteht also darin, dass die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen den jungen Frauen zunächst einmal grünes Licht signalisierten. Politische Basisarbeit oder das Engagement in feministischen Gremien schien fast überflüssig, so glatt schien erst einmal alles zu laufen.
Erst in dem Moment, in dem Kinder ins Spiel kommen, also etwa zehn Jahre nach dem gut gelaunten Start in die Erwachsenenwelt, haben viele gemerkt, dass wir von einer wirklich gerechten Arbeitsteilung noch weit entfernt sind. Die unbezahlte private Hausarbeit oder "affektive Arbeit", wie es die Soziologie nennt - dazu zählt auch die Pflege von Angehörigen- , lastet weiterhin überwiegend auf den Schultern der Frauen. Teils liegt das an den Männern meiner Generation, die nicht bereit sind, ihren Teil beizutragen, teils an den Frauen, die in vorauseilendem Gehorsam und aus einer gewissen Tradition heraus freiwillig zu schnell zu viel zurückstecken. Irgendwann landen sie dann in der Teilzeitfalle - was wir unter anderem daran sehen, dass der Anteil von Frauen in den Führungsetagen trotz guter Ausgangschancen konstant unter zehn Prozent liegt. Sowohl im Niedriglohnsektor, als auch unter den gut und besser Ausgebildeten herrscht zudem ein konstantes Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern. Wie eine EU-Studie erst unlängst wieder zeigte, ist die Diskrepanz zwischen Frauenlöhnen und Männerlöhnen zwischen 1995 und 2005 sogar noch gestiegen, von 21 auf 22 Prozent.
Und plötzlich steht eine zunächst hoffnungsvoll und selbstbestimmt gestartete Frau dann vor einem Berg schier unlösbar erscheinender Probleme: Wer soll zuhause bleiben, wenn Kinder kommen? Wenn das Geld eh schon knapp ist, am besten doch der, der weniger verdient, also: die Frau. Wo würde ich den Nachwuchs überhaupt unterbekommen, wenn ich weiter arbeiten wollte? Bin ich mit Mitte 30 noch genauso attraktiv auf dem Arbeitsmarkt wie vor ein paar Jahren, als ansehnliche und formbare Praktikantin? Die alte Parole, "das Private ist Politisch" bewahrheitet sich dann eben doch. Wir stehen, trotz all der papiernen Gleichberechtigung, eben doch noch vor den alten Verhältnissen. Bloß sind wir darauf nicht sehr gut vorbereitet.

AVIVA-Berlin: Mit Ihrer These: Ist die Emanzipation zur Klassenfrage geworden? sprechen Sie mehrere Themen gleichzeitig an: "Frau" ist keine homogene Gruppe, und Frauen aus der so genannten "bildungsfernen, sozialschwachen Schicht" werden in der aktuellen Geschlechterdebatte oft vergessen. Im Moment geht der Fokus in den Medien auf "Die Alphamädchen" (siehe gleichnamige Spiegel-Serie seit Mai 2007), die die Jungs im Bildungswesen überholen - doch wie stehen die Zukunftschancen für junge Frauen ohne Abitur? Ist Feminismus eine Luxus-Debatte geworden - falls ja, war das schon immer der Fall?
Katja Kullmann: Feminismus ist insofern ein Elite-Thema, als die theoretischen Debatten vorwiegend in der gebildeten Schicht ablaufen. Anders ausgedrückt: Während die akademisch gebildete Klasse in den Feuilletons über "Role Models" und das Für und Wider der Quote diskutiert, bleiben Frauen aus der Unterschicht außen vor und kommen eigentlich nur als statistische Größe vor. Die Politik berät über die Finanzierung von Tagesmüttern und die so genannte Herd-Prämie, unterdessen vollzieht sich in den sozialen Randgebieten der Gesellschaft ein gewaltiger Rückschritt. Die Schwangerschaften bei Minderjährigen nehmen bei schlecht ausgebildeten Frauen wieder zu, und das Institut für Arbeitsmarktforschung verzeichnet einen Rückgang von Frauen in den einfachen Lehrberufen. Zudem steigt die männliche Frustrationsgewalt an, auch die Gewalt gegen Frauen, etwa bei den Migranten der dritten und vierten Generation. So wachsen in den Quartieren des sozialen Wohnungsbaus ganze Dynastien von Verlierern und Verliererinnen heran.
Dass die sprichwörtliche soziale Schere immer weiter auseinander zu klaffen scheint, betrifft zunächst einmal beide Geschlechter. Es ist eine Folge des fortgeschrittenen Kapitalismus, eine Konsequenz dessen, was die Soziologie "Individualisierung" oder "Privatisierung der Lebensrisiken" nennt. Man muss aber sagen: Unter den Gewinnern gewinnen Frauen weniger als Männer, und unter den Verlierern verlieren Frauen mehr als Männer. Es besteht unleugbar eine strukturelle Ungleichheit auf der Geschlechterebene.
Allerdings warne ich davor, nun neue Gräben innerhalb des Frauenlagers zu ziehen. Es hilft nichts, alte Feindbilder wieder auszugraben, wie etwa die so genannten "Alpha-Mädchen" als eiskalte Karriere-Kühe zu beschimpfen. Frauen sind eben komplette Menschen, auch Staatsbürgerinnen und Klassenangehörige und haben als solche manchmal unterschiedliche Interessen. Während die Botschaftergattinnen beim Lady Lunch in Berlin Mitte ein Interesse am Erhalt des Ehegattensplittings haben, treten die Organisatorinnen des autonomen Lady Fests vielleicht eher für das bedingungslose Grundeinkommen ein. Solche Unterschiede müssen wir aushalten können. Frauen sind eben nicht qua Biologie automatisch und jederzeit alle Freundinnen untereinander. Es ist utopisch, jetzt mit einem Schlag auch die ad hoc-Versöhnung von Bürgersfrau und Bolschewikin zu fordern. Ich bezweifle, dass wir diese Revolution so ganz nebenbei auch noch hinkriegen, da überfordern wir uns.
Wir kennen überflüssige Grabenkämpfe bereits aus dem Streit zwischen Müttern und Nichtmüttern, sowohl auf dem Boulevard, etwa mit Eva Hermann, als auch im Feuilleton, etwa mit dem Pamphlet "Die Emanzipationsfalle" der Zeit-Redakteurin Susanne Gaschke. Es ist leider ein Fehler mit Tradition: Dass Frauen sich gegenseitig in den Rücken fallen, sich lieber untereinander messen, statt ganz nüchtern von oben auf die Verhältnisse zu schauen und zu sehen, wo wir in all unserer Verschiedenheit eben strukturell benachteiligt sind.

AVIVA-Berlin: Alice Schwarzer warnt in ihrem 2007 erschienenen Buch "Die Antwort" davor, dass wir Frauen an einer "entscheidenden Etappe" stehen und aufpassen müssen, nicht "wieder einmal zurückzufallen". Zum einen gibt es den biologistischen Backlash - siehe Eva Herman -, auf der anderen Seite haben wir die erste deutsche Kanzlerin - zwar konservativ, aber frauenbewusst, und dazu noch eine konservative Familienministerin, die sich für alte feministische Ziele einsetzt, wie ausreichende Kinderbetreuung. Was können wir tun, um den "Rollback" (soziologisch: Rückfall in längst überwunden geglaubte Zustände) aufzuhalten?
Katja Kullmann: Tja - wüsste ich es, hätte ich längst ein neues Buch zum Thema geschrieben, das dürfen Sie mir glauben. Am stichhaltigsten kann ich hier vielleicht argumentieren, wenn ich mal in meinem eigenen Bereich bleibe, im publizistischen Segment, in der Glitzerwelt der Medien. Zahlreiche Kolleginnen meiner Generation und Schicht wirken einfach kontraproduktiv - wenn ich mir etwa ansehe, womit die so genannten Redakteurinnen so genannter Frauenzeitschriften sich beschäftigen. Da werden Tipps für den Umgang mit Botox gegeben und Diäten allmonatlich neu aufgelegt, wo es doch eigentlich um Fügsamkeit und Adrettheit nicht mehr gehen kann. Sicherlich sind solche Sachen auch einem gewissen Zwang innerhalb der Redaktionen geschuldet, einer gewissen Lifestyle-Industrie, die über die Dollars herrscht. Die Führungsetagen in den Verlagen sind eben doch meist männlich besetzt, und die Etats werden entsprechend verwaltet.
Dennoch kritisiere ich als freie Autorin eine gewisse Stupidität in den weiblichen Ressorts, bei den wenigen Frauen, die es wenigstens auf die Ebene der Textchefin oder leitenden Redakteurin geschafft haben. Eine Textchefin eines traditionellen Frauenmagazins verlangte etwa, dass ich meine Texte weniger "politisch", als vielmehr "personalisiert" halte. "Schreiben Sie doch lieber mal ein bisschen, wie Sie mit Ihren Freundinnen herumziehen und Männer kennen lernen", hieß es da. Hm. Sehr bald hatte ich auf die Zusammenarbeit dann keine Lust mehr. Auch deshalb schreibe ich überwiegend für die EMMA. Es ist, allen Anfeindungen zum Trotz, einer der wenigen Orte, an denen ich "als Frau" genauso polemisch und schlecht gelaunt herumpoltern darf wie sonst es nur Männer sich erlauben, etwa im Kulturressort des Spiegel.
Besonders frappierend war unlängst mein Kontakt mit dem SWR: Im Auftrag der ARD hatte der Sender mit öffentlich-rechtlichen Geldern die Reality-Show "Bräuteschule" produziert, eine angeblich irgendwie ironische Reminiszenz an das Hausfrauenwesen der Adenauer-Ära. Wie ich herausfand, lag sowohl die Regie, als auch die Finanzierung, als auch die Redaktion in weiblicher Hand. Auf meine Rückfrage, warum denn ausgerechnet heute ein solches Format produziert werde, und warum ausgerechnet drei Frauen dafür verantwortlich zeichnen, erhielt ich einen schlecht gelaunten Brief aus der ARD-Zentrale, unterzeichnet von der persönlichen Assistentin des Intendanten Günter Struve. Die Dame fügte in einem persönlichen PS hinzu, ich möge doch bitte selbst erst einmal Kinder bekommen, bevor ich die Klappe aufreiße. Leider gibt es also zahlreiche Frauen im Betrieb, die es zwar besser wissen müssten, aber auf dieser Ebene argumentieren, oder sagen wir: um sich beißen.
Ich würde mir wünschen, dass diejenigen Frauen, die es im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit immerhin so weit geschafft haben, ihren Einfluss anders nutzen und etwas verantwortungsvoller damit umgehen. Wir sind ja auch die Mediengeneration und wissen um die Macht der Bilder und der Slogans. Oft sind es aber ausgerechnet Frauen, die in einen professionellen Zynismus verfallen. Die betexten dann, wie früher die Bild-Kolumnistin Katja Kessler, die Fotostrecken zum Busenwunder des Tages, nach dem Motto "Mi-Ma-Mausesack, ich bin ein geiles Luder". Überlassen wir solche Jobs doch den feist herumsabbernden misogynen Mittfünfzigern in den Redaktionen, von diesen alten Säcken gibt es doch noch genug, die müssen doch auch beschäftigt werden. Das wäre mein Vorschlag an die Kolleginnen.

AVIVA-Berlin: Die meisten Frauen erfahren in ihrem Leben früher oder später Sexismus, und wenden sich dennoch nicht dem Feminismus zu, um nach Erklärungsmodellen zu suchen. Wie sind Sie zum Feminismus-Fan geworden und wie würden Sie versuchen, anderen die Relevanz von Feminismus klar zu machen?
Katja Kullmann: Als "Feminismus-Fan" würde ich mich nicht bezeichnen. Lange habe ich mich sogar geweigert, mich selbst "Feministin" zu nennen, ich habe bis zu meinem 30. Geburtstag gebraucht, um mich mit diesem Begriff anzufreunden - einfach, weil er mit vielen Klischees und Verdachtsmomenten besetzt ist. Als heterosexuelle Frau mit starkem privaten Interesse an Männern hatte ich da jahrelang Berührungsängste, von wegen "Latzhosenfraktion" und "Schwanz-ab-Denke", das gebe ich heute offen zu. Mit Feminismus verband ich vor allem: Freudlosigkeit.
Mein Bewusstsein für die strukturelle Ungleichheit hat sich erst im Laufe meiner eigenen Berufstätigkeit ergeben, etwa als Redakteurin eines Wirtschaftsmagazins. Zum einen nahm ich die ungleiche Machtverteilung innerhalb der Redaktion und des Verlags war, zum anderen stolperte ich in der Berichterstattung über Meldungen wie "Immer mehr Frauen haben jetzt Internetanschluss". Das soll alles sein, habe ich mich irgendwann gefragt. Obwohl Frauen bekanntermaßen seit über einem Jahrzehnt bessere Noten schreiben und schneller ihre Ausbildungen abschließen als die Jungs?
Wir haben es - ganz unbiologistisch - einfach mit einer gravierenden Benachteiligung zu tun. Frauen stellen nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung, sie leisten zudem den Großteil der unbezahlten oder unsichtbaren gesellschaftlich-sozialen Arbeit und werden dafür auch noch schlechter entlohnt als Männer, die die Gesellschaft ingesamt mehr kosten - weil sie ungesünder leben, weil sie mehr Unfälle bauen und mehr Gewalttaten begehen. Es ist also schlicht eine Frage der Gerechtigkeit. Genau an diesem Punkt hat der Feminismus mich erwischt.
Ich plädiere grundsätzlich für eine möglichst nüchterne Herangehensweise an diese Fragen. Weinerliche Tonfälle und überemotionales Identitätsgefasel schadet der Sache nur. Wir dürfen uns nicht in Debatten verfransen, wer eine "gute" oder "richtige" Frau ist, sondern müssen so kühl und konsequent wie möglich bei den hard facts bleiben: Wo stecken die Dollars, wie ist das mit Macht und Einfluss, wie ist das alles verteilt.

AVIVA-Berlin: Sie beschäftigen sich häufig mit Frauenbildern in den Medien, so auch in Ihrem großartigen Buch "Generation Ally", das sich kritisch mit Ihrer Generation (geboren 1965-1975) im Zusammenhang mit Ally Mc Beal auseinander setzte. Hat sich denn in den letzten fünf Jahren in der Medienlandschaft etwas verändert, oder müssen Frauen sich immer noch entscheiden, ob sie sich mit "neurotischen, ungeschickten Allys und Bridgets" identifizieren wollen oder mit den "prallen feuchten, willigen" Verona Pooths und Pamela Andersons?
Katja Kullmann: Böse ausgedrückt würde ich sagen: Die Mütter sind die Luder von heute. Was da, auch im Zuge des angeblichen Kindermangels in Deutschland, für ein Rummel um schwangere Bäuche gemacht wird, geht auf keine Kuhhaut. Der schwangere Bauch ist nunmehr fast ein Pin-up-Motiv geworden, es gibt da so eine Art Fortpflanzungs-Porno-Kultur auf dem Boulevard, und die Schlagzeilen dazu lesen sich oft so: "Beeindruckend, wie gertenschlank Heidi Klum schon acht Wochen nach der Geburt in diesem Roberto Cavalli-Kleid über den roten Teppich weht."
Noch eine Niveaustufe darunter sehen wir im Privatfernsehen Sendungen wie "Frauentausch", "Bauer sucht Frau" oder "Schwiegertochter gesucht". Das führt uns übrigens auf die Frage nach dem Klassenkampf innerhalb des Frauenlagers zurück: Gut und besser ausgebildete Frauen arbeiten in TV-Redaktionen, die in solchen Formaten letztlich Unterschichtsfrauen vorführen. Oder in den sprichwörtlichen Nachmittagstalkshows: Wir sehen junge, hoffnungsvolle RTL-Praktikantinnen um die 20, die einem Erfolgszyniker wie Oliver Geißen das Ergebnis eines Vaterschaftstests ins Studio reichen dürfen - während unten, auf dem Podium, eine Reihe chancenloser HartzIV-Kandidatinnen sitzt und sich zur Unterhaltung des Publikums darüber streitet, wer seine Kinder stärker vernachlässigt und wer die größere "Schlampe" ist. So in etwa ist heute das Panorama, die Bandbreite, in der die Frau als öffentliche Figur wahrgenommen wird.
Angela Merkel gibt es aber auch, und Anne Will, und Monica Lierhaus. Ich selbst war übrigens keinesfalls für Merkel, sondern habe ich mich im Wahlkampf damals für die andere Seite stark gemacht. Auch wenn Merkel ihren Job beeindruckend gut macht, sie steht nicht für eine Partei, die mein Vertrauen genießt. Das ist vielleicht auch ein zeitgenössischer Umgang mit Feminismus: Jenseits der Biologie zu denken und nicht einer Frau die Stimme zu geben, nur weil sie eine Frau ist.

AVIVA-Berlin: Stellen Sie sich vor, morgen wäre Ihr erster Tag als Bundeskanzlerin. Welches Gesetz würden Sie sofort erlassen oder abschaffen? Was würden Sie verändern?
Katja Kullmann: Weg mit dem Ehegattensplitting, überhaupt den ganzen Apparat der so genannten Ehe-Gesetze abschaffen. Die bürgerliche Ehe und Kleinfamilie ist, historisch gesehen, eine recht junge Erfindung, und wie wir sehen, hat sie nach rund 150 Jahren ausgedient. Die so genannte Patchworkfamilie wird mehr und mehr zum Regelfall, Paare tun sich zusammen und trennen sich wieder, und ich denke, es ist auch ein Vorteil, dass Ehen nicht mehr nur aus wirtschaftlichen Gründen aufrecht erhalten werden. Wir tun immer so als sei die glückliche Kleinfamilie das Paradies. Dabei wissen wir andererseits längst, wie viel häusliche Gewalt und Psychoterror in ebendieser Keimzelle entsteht, wie viel Leid dieses Konstrukt hervorbringt. Die Psychologie weiß ein Lied davon zu singen, nicht ohne Grund gibt ja eine ganz eigene Psycho-Sparte zum Thema "Familie". Alles, was das Modell des Einernährerhaushalts fördert, ist für Frauen kontraproduktiv.

AVIVA-Berlin: Ihr Bestseller "Generation Ally" wurde im April 2007 in Japan veröffentlicht. Das Buch ist in Deutschland bereits 2002 erschienen. Haben Sie damit gerechnet, dass es 5 Jahre später immer noch so "kompliziert ist eine Frau zu sein"? Wie steht es um die Gleichberechtigung in Japan- ist z.B. die Unvereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere dort auch ein Problem? Inwiefern können sich japanische Frauen (und Frauen aus anderen Kulturkreisen) mit der Generation Ally identifizieren?
Katja Kullmann: Die späte Veröffentlichung in Japan hat mich selbst überrascht. Zuvor war "Generation Ally" bereits in den Niederlanden und erstaunlicherweise auch in Taiwan erschienen, in Auszügen in Polen. Eine Lizenz wurde auch in die Türkei verkauft, aber das Buch ist dort nie herausgekommen. "Generation Ally" bezieht sich ja, trotz des amerikanisch anmutenden Titels, sehr stark auf innerdeutsche Fragen und behandelt ausdrücklich eine bestimmte, wenngleich maßgebliche gesellschaftliche Gruppe: die privilegierten westdeutschen Mittelstandstöchter. Die wesentlichen Thesen sind im Ausland oft nur schwer nachvollziehbar, fürchte ich, denn bestimmte Punkte, wie etwa die ur-deutsche Idee der so genannten Raben-Mutter, sind dort fremd. Man muss es ja einmal ganz klar sagen: Gerade innerhalb der EU zählt Deutschland zu den rückständigsten Ländern, was die Gleichberechtigung angeht. In Frankreich etwa sind Frauen ganz anders beteiligt und eingebunden. Da ist ein Buch wie "Generation Ally" viel weniger nötig.
Japan habe ich im Jahr 2003 selbst besucht, ich war einen Monat lang auf eigene Faust dort unterwegs und hatte zuvor viel über dieses merkwürdige Land gelesen. Derzeit vollziehen sich dort viele gesellschaftliche Verschiebungen, die wir aus Deutschland kennen: Die so genannte Alterspyramide dreht sich um, und vor allem in den Großstädten steigt die Zahl der Frauen, die sich weigern, in einem traditionellen Ehe-Machtverhältnis zu leben, das besagt: Der Mann sagt, wo´s lang geht und die Frau darf Geisha-haft dienen. Von der japanischen Übersetzerin weiß ich, dass Single-Frauen um die 30 dort als "verlorene Hunde" bezeichnet werden, was in etwa unserem Bild der "alten Jungfer" entspricht. Die Übersetzerin hat mir aber auch gestanden, dass viele Teile aus dem Buch einfach herausgekürzt wurden, weil all die bundesdeutschen politischen Details für Japanerinnen schwer nachvollziehbar sind. Was mich irritiert: Das Buch ist gespickt mit kleinen Comic-Figuren und Sprechblasen - aber ich weiß nicht, was da im Einzelnen steht. Die Übersetzerin sagte, das seien nur ein paar harmlose Witze. Nun ja. Ich bin etwas skeptisch. Was mir gefällt: Das Buch ist dort in einem konzern-unabhängigen kleinen Alternativ-Verlag erschienen, der von einer Frau um die 30 geführt wird - was für Japan recht ungewöhnlich ist. Meine japanische Verlegerin ist geschieden und hat sich nach dem Ende der Ehe selbstständig gemacht, sie ist sozusagen ein "verlorener Hund", genau wie ich.

AVIVA-Berlin: Eine letzte Frage - woran arbeiten Sie momentan? Was dürfen wir in Ihrem nächsten Buch erwarten, wollen Sie uns das schon verraten?
Katja Kullmann: Derzeit hadere ich, ehrlich gesagt, etwas, wie genau ich weiterverfahren will. Ich plane ein weiteres Sachbuch, schreibe aber auch weiterhin viel fiktives Material. Oft überlege ich, was die bessere "Strategie" sein könnte - und damit meine ich nicht eine Strategie für meinen eigenen Lebenslauf oder Stand als Autorin, sondern vor allem eine Strategie für die Inhalte, die ich transportieren will. Ich begreife mich eher als Berichterstatterin als dass ich einem verkitschen Künstlerinnenideal nachhänge - andererseits möchte ich mich gern auch als Romanautorin weiterentwickeln. Und als feministisch interessierte Autorin möchte ich eine gewisse weibliche Polemik fortführen, also: Genauso unverschämt argumentieren, wie meist Männer es tun. Ich schreibe nicht für den akademischen Elfenbeinturm, ich will sozusagen die Schwester von nebenan erreichen, die vielleicht eher fern sieht, als die Feuilletons zu studieren, und das ist eine sehr bewusste Entscheidung. Generell geht es mir, mit Verlaub, auf den Senkel, als weibliche Autorin mit durchaus populärem Anspruch sehr schnell als "seichte Frauenbuchautorin" abgekanzelt zu werden. Besonders giftig urteilen hier übrigens weibliche Kritikerinnen. Ich gebe zu: Manchmal behindert mich all das. Und von diesem Punkt aus versuche ich nun weiterzuarbeiten.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute für die Zukunft!


Zu Katja Kullmann: Die Autorin (geb. 1970) veröffentlichte "Generation Ally" (2002) und "Fortschreitende Herzschmerzen bei milden 18 Grad. Eine Erzählung" (2004).
Katja Kullmann arbeitete nach dem Studium der Gesellschaftswissenschaften als Redakteurin für die Magazine "Prinz" und "BIZZ", und für die Nachrichtenagentur dpa. Auch als Einkaufswagensortiererin, Kellnerin und Synchronsprecherin sammelte sie Erfahrungen. Heute lebt Katja Kullmann als freie Autorin in Berlin und schreibt unter anderem für EMMA, die FAZ und die "Financial Times" Deutschland.

Sonntag, 13. Juli 2008

Cool, sexy, erfolgreich - feministisch!?

Seit einigen Monaten ist eine so nicht gekannte Diskussion über einen „neuen Feminismus" in den traditionell eher feminismus-feindlichen Mainstream-Medien zu beobachten. Die Wochenzeitung DIE ZEIT (DIE ZEIT Nr. 35, 24. August 2006) bekannte im Sommer 2006: „Wir brauchen einen neuen Feminismus" und befragte dazu fünfzehn Frauen, die sich erfolgreich im Berufsleben etabliert haben. Daneben wurden seitdem erstaunlich viele Bücher veröffentlicht, die sich mehr oder weniger zu einem „neuen Feminismus" bekennen.

Allerdings scheinen der wissenschaftliche Feminismus und die mittlerweile zahlreichen Zentren für Gender Studies sowie Frauen- und Geschlechterforschung sich an dieser Diskussion über den „neuen Feminismus" nicht beteiligen zu wollen. Keine glücklichen "Endlich!"-Rufe, weil das sonst so verpönte Thema „Feminismus" nun auch bei jungen Frauen außerhalb des akademischen Diskurses angekommen ist. Vereinzelt finden sich Rezensionen, die auf die neue Buchwelle reagieren – allerdings in keinem freundlichen Ton. Thea Dorns „neue F-Klasse" wird dort beispielsweise als Spartenfeminismus"
kritisiert, der lediglich einer ganz bestimmten Elite von Frauen den Weg zur Spitze bereitet. Der „neue Feminismus" wird als neoliberal kritisiert, weil er sich bestimmten Leistungskriterien zu Eigen macht. Zugleich sieht er die Ursache für ein Versagen von Frauen auf der individuellen Ebene und nicht in den strukturellen Bedingungen.

Mit einer Podiumsdiskussion kommen die hier angedeuteten verschiedenen Positionen zum Thema Feminismus zu Wort: 
  • Bedarf es eines „neuen Feminismus'"? 
  • Was neu ist am „neuen Feminismus"? 
  • Ist Feminismus sexy? 
  • Kann Feminismus überhaupt sexy sein? 
  • Welcher Feminismus kann helfen, die Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern aufzuheben – wenn es diese denn überhaupt noch gibt? 
  • Welcher Feminismus kann helfen, die Geschlechterkategorien gar zu dekonstruieren – wenn dies denn überhaupt gewollt ist?

Es diskutieren :

Anita Eckhardt (Freie Mitarbeiterin des Bundesverbandes Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe)

Dr. Ina Kerner (Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, TU-Berlin)

Chris Köver (Redaktionsmitglied "Missy Magazine")

Vera Tudor (Absolventin der Gender Studies, HU-Berlin)


Und zwar hier: 

15. Juli 2008, 18:00 bis 20:00 Uhr
Tu Berlin, OSI, Hörsaal A
Ihnestraße 21
14195 Berlin

Ergebenst, Euer Schurik!

Täglich kommen neue Urlaubs-Leseempfehlungen an. Danke an alle Frauen, die mitmachen!

Helga Elias, die in der Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus arbeitet und sich unter anderem sozusagen professionell mit feministischer Politik beschäftigt, legt uns ein besonderes Buch ans Herz:

Es gibt Bücher, die ich immer wieder verschenke, von Irene Dische "Großmama packt aus", von Anna Gawalda "Zusammen ist man weniger allein", von Jonathan Franzen "Die Korrekturen", um nur einige zu nennen. Und immer wieder die Bücher von Ljudmila Ulizkaja, von der ich jedes kaufe, seit ich "Medea und ihre Kinder" in die Hände bekam. Ihre Protagonisten sind starke und eigenwillige Frauen.


"Ergebenst, Euer Schurik" kann ich für die Ferien besonders empfehlen. Schurik ist kein Frauenheld, den Frauen aber unentbehrlich. Doch es geht nicht nur um diesen Don Juan wider Willen. Ljudmila.Ulitzkaja hat ein Generationenbuch geschrieben, ein Buch über die Zeitläufe, voller spannender (Frauen)geschichten.

(erschienen bei Hansa, Paperbackausgabe bei dtv)


Viel Freude beim Lesen, mit herzlichen Grüßen

Helga



 

Donnerstag, 10. Juli 2008

Ein Urlaub dauert ja mindestens 14 Tage!

Liebe Leserinnen, Dank der wunderbaren Hilfe von Frauen schaffen wir es vielleicht, Ihnen für jeden Urlaubstag einen literarischen oder musikalischen Vorschlag zu unterbreiten.

Als Vizepräsidentin muss Petra Pau zwar von Termin zu Termin eilen, dennoch hat sie uns eine Empfehlung geschickt:

Anläßlich des 100. Geburtstages von Simone de Beauvoir, habe ich mal  wieder "Die Mandarins von Paris" hervorgeholt und bis zum Ende nicht  mehr weggelegt. Als Schlüsselroman der französischen  Linksintellektuellen geltend, ist dieses Buch zum einen ein  zeitgeschichtlicher Roman über die politische Entwicklung Frankreichs  nach dem 2. Weltkrieg, zum anderen ein faszinierender Frauenroman.  Anspruchsvoll, dabei aber spannend und gut lesbar, eignet sich diese  Lektüre hervorragend für die Urlaubszeit.



Mehr Informationen über das aufregenden und vielfältige Leben von Petra Pau als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages können hier nachgelesen werden:


http://www.petrapau.de/

Kinderkommission - was ist das denn?

Gestern hat Diana Golze Ihren Vorschlag für einen entspannten Urlaubstag übermittelt, heute fragen wir sie, was denn eigentlich diese Kinderkommission ist, der sie jetzt vorsteht:


Diana, Du hast im Mai den Vorsitz der Kinderkommission des Deutschen Bundestages. Was für ein Gremium ist das?

Diana Golze: Die Kinderkommission ist ein Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Während die meisten anderen parlamentarischen Gremien proportional zum Wahlergebnis zusammengesetzt sind, entsendet jede Fraktion nur ein Mitglied in die Kinderkommission. Gearbeitet wird nach dem Konsensprinzip. Das heißt: Alle fünf Mitglieder müssen sich einig sein, um eine Initiative der Kommission auf den Weg zu bringen.

Also spielt Parteipolitik in der Kinderkommission eine untergeordnete Rolle?

Diana Golze: Ja, das ist so. In der Kommission sind wir uns beispielsweise über alle Partei- und Fraktionsgrenzen einig, dass Kinderrechte ins Grundgesetz gehören. Leider teilt die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion  diese Auffassung nicht und blockiert die notwendige Verfassungsänderung.

 

Warum wechselt der Vorsitz mitten in der Legislaturperiode?

Diana Golze: Wir sind – wie bereits erwähnt – fünf Mitglieder, übrigens alles Frauen. Jede übernimmt für neun Monate den Vorsitz. Die Reihenfolge ergibt sich nach der Stärke der Fraktionen.

 

Welche Aufgaben und welche Rechte hat die Kinderkommission?

Diana Golze: Die Kinderkommission versteht sich als parlamentarische Lobby für Kinder und Jugendliche.  Die wichtigste Aufgabe besteht darin, alle neuen Gesetze, Richtlinien und Verordnungen auf Kindertauglichkeit zu prüfen und gegebenenfalls Änderungen anzuregen. Darüber hinaus nehmen wir aktuelle Probleme auf, die die Belange von Kindern und Jugendlichen betreffen. Wir führen öffentliche Anhörungen durch, laden zu Expertengesprächen ein und sensibilisieren die Öffentlichkeit für Themen, die für Kinder und Jugendliche von allgemeinem Interesse sind. Allerdings hat die Kinderkommission kein eigenes Recht zur Gesetzesinitiative.


Was konnte die Kinderkommission bisher konkret erreichen?

Diana Golze: Die Kinderkommission gibt es inzwischen seit 20 Jahren. Zum erfolgreichen Wirken gehört u.a. die Aufnahme des Rechts von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung in das Bürgerliche Gesetzbuch. Darüber hinaus wurden zahlreiche Einzelmaßnahmen initiiert, die die Sicherheit und den Schutz von Kindern verbessern. So wurde erreicht, dass die Textilindustrie keine reißfesten Kordeln mehr in Kinderkleidung einnäht, weil es immer wieder vorkam, dass Kinder sich damit strangulierten. Demnächst werden Lkw mit Zusatzspiegeln ausgerüstet, um den toten Winkel zu beseitigen. Auch diese Initiative ging von der Kinderkommission aus.

 

Können sich Kinder bzw. Eltern mit ihren Anliegen auch direkt an die Kinderkommission wenden?

Diana Golze: Ja, natürlich, und davon machen sie auch rege Gebrauch. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass die Kinderkommission sich nicht in konkrete Einzelfälle einmischen kann. Wir können  beispielsweise keinen Streit um das Umgangsrecht schlichten, keine Gerichtsentscheidungen aufheben oder Entscheidungen von Jugendämtern revidieren. Aber dennoch bekommt jeder, der sich an die Kinderkommission wendet, eine Antwort.

 

Welche Schwerpunkte willst Du während Deines Vorsitzes in der Kinderkommission setzen?

Diana Golze: Die Schwerpunkte meiner Arbeit in der Kinderkommission sind der Kampf gegen Kinderarmut, die Ausweitung von Selbst- und Mitbestimmungsrechten von Kindern sowie die Verbesserung der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Kinder- und Jugendsozialarbeit. Diesen Themen werde ich mich natürlich auch während der Zeit des Kommissionsvorsitzes widmen. 

 

Als Vorsitzende der Kinderkommission musst Du in den nächsten neun Monaten auch Kiko, den Plüschadler – das Maskottchen der Kinderkommission – beherbergen. Bleibt der Plüschadler in Deinem Berliner Bundestagsbüro oder darf er bei Dir zu Hause einziehen?

Diana Golze: Als „Repräsentant“ der Kinderkommission muss Kiko natürlich in Berlin bleiben und dort seine vielfältigen Aufgaben erfüllen. Aber vielleicht nehme ich ihn in der Sommerpause mal mit nach Rathenow, damit er die Optikpark-Biber Havi, Flori und Opti  persönlich kennen lernen kann. 


Die Kinderkommission ist über diese Internet-Seite zu erreichen:

http://www.bundestag.de/interakt/kinder/index.html

Mittwoch, 9. Juli 2008

Der Urlaub kann kommen!

Wir haben Frauen aus unserem Umfeld gebeten, ihre Empfehlung zu Literatur, Hörbuch oder Musik für einen entspannten oder interessanten Urlaub abzugeben. 

Hier der erste Tipp von Diana Golze:

Wer bei der „Russendisko“ geschmunzelt hat, wird am neuesten Werk von Wladimir Kaminer seine Freude haben. „Mein Leben im Schrebergarten“ ist eine unterhaltsame russische Sicht auf des Deutschen liebstes Hobby nach dem Auto: dem eigenen Garten. Kaminer wagt ein grünes Experiment mit vielen wunderbaren Seitenhieben auf deutsche Eigenheiten – der Lesespaß für den Sommer!

Übrigens, wer mehr über Diana und ihre Arbeit wissen will, kann hier mal linsen:


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Diana Golze hat im Mai den Vorsitz der Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen.

Freitag, 4. Juli 2008

Neue Aktion für Alleinerziehende

Als regelmäßige "Brigitte"-Leserin ist mir das Dossier zur Lebenssituation von Alleinerziehenden nicht entgangen.

www.brigitte.de/frau/familie/dossier-alleinerziehend/index.html

In einem der letzten Hefte folgte nun eine Initiative, die mit einem Projekt für Single-Mütter aufwartet. Es heißt "Palme" und soll ein halbjähriges Programm sein, "in dem alleinerziehende Mütter unter professioneller Anleitung üben, Probleme anzupacken, sich selbst etwas gutes zu tun und ihre Kinder feinfühliger zu unterstützen" (Brigitte Extrablatt, Mai 2008). Über die Mehrgenerationenhäuser, die in der letzten Zeit in Deutschland entstanden sind, sollen die Kurse angeboten werden.

Als ich das Dossier und die Überschrift zur Initiative las, war ich begeistert. Endlich schreibt eine Frauenzeitschrift mal nicht nur über die üblichen Themen, sondern schaut auf das, was viele Frauen bewegt. Der ganz normale Wahnsinn mit Kind, ohne Partner, mit Job oder ohne Job ...

Eine Forumsschreiberin schildert das so:

"Die taffe Frau steht morgens um 5.30 Uhr auf und saust ins Bad, um gegen 6.00 Uhr liebevoll ein verschlafenes 1-, (2-,5-)Jähriges aus dem Bett zu holen, ihm ein Frühstück aufzunötigen, freundlich und gelassen. Nach der Prozedur im Badezimmer (einfühlsam, aber in der Sache kompromisslos) wird man wohl beim Ankleiden helfen, müssen - liebevolle Konsequenz.
6.50 Uhr: Ab zur KITA.
16.50 Uhr: Abholen, Einkaufen, Kinderarzt...
18.00 Uhr zuhause, Kind in Spielecke (liebevoll aber bestimmt), Abendbrot vorbereiten, Wäsche in die Waschmaschine
18.30 Uhr Abendessen
19.00 Uhr Spielen mit Mami
19.30 Uhr Bettzeit
20.15 Uhr Küche aufräumen...
21.30 Uhr Kurz in die Zeitung geschaut, Tanz der Buchstaben
22.00 Uhr Licht aus

Es kommt nicht in die Pubertät, hat keine komischen Freunde, ist gut in der Schule und hinterläßt die Küche keinesfalls als Saustall."

Über die sich an das Dossier anschließende Aktion bin ich jetzt etwas verwundert. Klar so ein Palme-Kurs schadet sicher nicht. Aber geht das nicht am eigentlichen Problem vorbei? Da sehe ich erst mal ein verbessertes Angebot von flexibler Kinderbetreuung, vernünftige Arbeits- und Studienbedingungen und faire und angemessene Löhne (wie lange müssen Frauen eigentlich noch Stundenlöhne von 5,40 € und weniger akzeptieren?!) als vorrangige Aufgaben.

Doch ich will die Initiative nicht schlecht reden. Gut ist, dass Menschen sich engagieren. Wer also in seinem Umfeld etwas für alleinerziehende Frauen und Männer tun kann, sollte sich dem Gedanken der Initative anschließen. Fragen wir uns doch einfach mal, was können wir machen und handeln dann! Ideen sind willkommmen!


Kerstin L.

Schlaflos in München

Für alle, die sich einfach mal Geschichten aus dem Alltag einer jungen Frau anhören möchten, empfiehlt sich der Podcast einer Münchnerin. Sie podcastet unter dem Namen Annik Rubens einmal wöchentlich für ca. 30 Minuten. 

Hören kann man das hier: